Einstufung schwerwiegender Verstöße – VO EU 2016/403

Einstufung schwerwiegender Verstöße im Güterverkehr

Der gewerbliche Güter- und Personenverkehr ist eine Branche mit hartem Wettbewerbsdruck. Immer wieder versuchen Verkehrsunternehmen, sich dabei Vorteile zu verschaffen, indem sie gegen Vorschriften und Gesetze verstoßen. Diesen Missstand soll die EU-Verordnung 2016 / 403 (VO (EU) Nr. 2016/403) beheben. Die Verordnung vom 18. März 2016 vereinheitlicht die Einstufung von Verstößen gegen geltende Vorschriften für gewerbliche Verkehrsunternehmen. Die Verordnung legt noch mehr fest. Künftig können insbesondere bei schwersten oder wiederholten Verstößen Lizenzen entzogen und Berufsverbote ausgesprochen werden.

Was bedeutet das aber im Detail und wie geht Deutschland mit dieser Verordnung um?

 

Aktueller Stand der Umsetzung der EU-Verordnung 403 / 2016

Die EU-Verordnung 2016 / 403 ist zum 1. Januar 2017 in Kraft getreten und gilt damit seit diesem Zeitpunkt in allen EU-Mitgliedsstaaten. Bei eventuellen Konflikten mit weiterhin bestehenden nationalen Gesetzen und Verordnungen eines Mitgliedsstaates gilt im Zweifelsfall die EU-Verordnung.

Ziel der EU-Verordnung Nr. 2016/403 ist eine einheitliche Bewertung von Gesetzesverstößen im gewerblichen Personen- und Güterverkehr. Dabei regelt die Verordnung Verstöße gegen bestehende Regelungen aus diesen Bereichen:

  • Sozialvorschriften (VO (EG) Nr. 561/2006 und VO (EU) Nr. 165/2014)
  • Arbeitszeitvorschriften (Richtlinie 2002/15/EG)
  • Maße und Gewichte (Richtlinie 96/53/EG)
  • Technischer Fahrzeugzustand (Richtlinien 2014/45/EU und 2014/47/EU)
  • Geschwindigkeitsbegrenzer (Richtlinie 92/6/EWG)
  • Berufskraftfahrerqualifikation (Richtlinie 2003/59/EG)
  • Fahrerlaubnisrecht (Richtlinie 2006/126/EG)
  • Gefahrgutrecht (Richtlinie 2008/68/EG)
  • Marktzugangsregelungen (VO (EG) Nr. 1072/2009 und 1073/2009)
  • Tiertransportrecht (VO (EG) Nr. 1/2005)

 

Einzelne Verstöße werden je nach Schwere in drei Gruppen eingeteilt:

  • Schwerwiegender Verstoß (SI = serious infringement)
  • Sehr schwerwiegender Verstoß (VSI = very serious infringement)
  • Schwerster Verstoß (MSI = most serious infringement)

 

Die exakte Einstufung eines bestimmten Verstoßes ist in Anhang I der VO (EU) 403/2016 festgelegt. Zum Beispiel gilt demnach eine Überschreitung der zulässigen regulären täglichen Lenkzeit von 9 Stunden um ein bis zwei Stunden als schwerwiegender Verstoß (SI). Eine Überschreitung der Fahrtzeit um 50 % oder mehr ohne Ruhepausen gilt als schwerster Verstoß (MSI).

Verstöße werden pro Fahrer eines Unternehmens innerhalb eines Jahres gewertet. Wiederholte Verstöße werden als ein Verstoß der jeweils nächsthöheren Stufe gewertet:

  • Drei schwerwiegende Verstöße (SI) pro Fahrer und Jahr = ein sehr schwerwiegender Verstoß (VSI)
  • Drei sehr schwerwiegende Verstöße (VSI) pro Fahrer und Jahr = ein schwerster Verstoß

 

Festgestellte Verstöße werden erfasst und dem verantwortlichen Verkehrsunternehmen zugeordnet. Je nach Schwere oder Häufigkeit der Verstöße werden Unternehmen nach einem Ampelsystem mit unterschiedlichen Konsequenzen eingeteilt:

  • Grün
    Das Verkehrsunternehmen hat sich keine oder weniger als drei schwerwiegende oder einen sehr schwerwiegenden Verstoß innerhalb von zwei Jahren zuschulden kommen lassen. Behörden ergreifen keine Maßnahmen.
  • Gelb
    Kommt es bei einem Unternehmen innerhalb von zwei Jahren zu mehr als drei schwerwiegenden oder einem sehr schwerwiegenden Verstoß, überprüfen die Behörden innerhalb von zwei Jahren, ob die Voraussetzungen für eine Zulassung des Unternehmens noch erfüllt sind.
  • Rot
    Treten pro Fahrer und Jahr drei sehr schwerwiegende Verstöße oder ein schwerster Verstoß auf, prüfen Behörden unverzüglich, ob das Verkehrsunternehmen die Marktzugangsvoraussetzungen noch erfüllt. Bestimmte schwerste Verstöße können automatisch zu einem Entzug der Zulassung eines Unternehmens führen.

Mit diesem Ampelsystem wird das seit 2012 bestehende „Risikoeinstufungsverfahren“ angepasst und fortgesetzt.

 

Aktueller Stand der Umsetzung

Die EU-Verordnung 2016/403 ist am 1. Januar 2017 in Deutschland automatisch in Kraft getreten. Anders als bei Richtlinien ist keine Umwandlung in nationales Recht notwendig. Was bedeutet das konkret?

Seit Ende 2012 führt das Bundesamt für Güterverkehr (BAG) in Deutschland die sogenannte Verkehrsunternehmerdatei (VUDat). Dabei handelt es sich um ein elektronisches Zentralregister für Güter- und Personenkraftverkehrsunternehmen. In diesem Register wurden bislang allgemeine Daten zu inländischen Straßenverkehrsunternehmen erfasst. Zu diesen Daten zählten bislang Angaben wie:

  • Unternehmensname
  • Rechtsform des Unternehmens
  • Anschrift
  • Anzahl der Fahrzeuge

Ein Teil der erfassten Daten ist öffentlich zugänglich.

Zusätzlich zu den bisherigen Daten erfasst das BAG in der VUDat Verstöße nach VO (EU) 2016 / 403. Verstöße, die mit einem Bußgeld von mehr als 200 € geahndet werden, werden im Gewerbezentralregister des Bundesamtes für Justiz gespeichert.  

Für die Überprüfung der Zuverlässigkeit und das Vorliegen der Berufszugangsvoraussetzungen sind die nach § 3 Absatz 7 GüKG zuständigen Genehmigungsbehörden der einzelnen Bundesländer verantwortlich. Dazu erfolgt ein Austausch der jeweiligen Daten mit den zuständigen Stellen der Bundesländer.

Ebenso erfolgt ein direkter Austausch der Register der einzelnen EU-Mitgliedsstaaten untereinander. Auf diese Weise ist sichergestellt, dass auch Verkehrsverstöße in einem EU-Mitgliedsstaat in die jeweiligen nationalen Register einfließen.

Fazit

Die EU (VO) 2016 / 403 vereinheitlicht Verstöße gegen geltende Vorschriften für gewerbliche Verkehrsunternehmen. Die Verordnung ist seit 2017 in Kraft und gilt damit automatisch auch in Deutschland. Verstöße werden zentral in der Verkehrsunternehmerdatei sowie zum Teil im Gewerbezentralregister des Bundesamtes für Justiz erfasst. Je nach Anzahl von erfasst Verstößen muss ein Unternehmen mit einer Überprüfung und auch mit dem Entzug von Lizenzen oder Berufsverboten rechnen. Für derartige Überprüfungen sind die entsprechenden Stellen der jeweiligen Bundesländer zuständig.